HP-41 im harten Einsatz

Die HP-41 Taschenrechner wurden für vielfältige Aufgaben eingesetzt. Ein Paradebeispiel ist sicher die Vermessung. Die Schweizer Firma Kern bot anno dazumal das Dateninterface DIF41 an, dass es ermöglichte, Messwerte des elektrooptischen Distanzmessers DM 502 oder des elektronischen Theodolits E1 in einen HP-41 zu übertragen. In einem Kern Bulletin, dem Kundenmagazin dieser Firma, fand ich den folgenden Artikel, der den praktischen Einsatz dieses Systems unter extremen Bedingungen beschreibt. Die HP-41CV mussten bei Temperaturen von -20°C bis -45°C in eine heizbare Tasche gesteckt werden!

Kanada: Kohlenminenvermessung im Computerzeitalter

P. Fitzpatrick

Die Quintette Coalmine Ltd. in den westlichen Rocky-Mountains von Kanada rechnet jährlich mit einem Kohlenausstoss im Tagbau von 6,3 Mio. Tonnen. Das durch Denison Mines Ltd. geleitete Unternehmen ist Kanadas grösste Mine und das wichtigste Projekt für die Provinz British Columbia.

Um langfristig auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, hat sich Quintette in der Kohleförderung technisch stark verbessert. Ein Teil dieser Rationalisierung wurde mit dem Kern SICORD-System verwirklicht. Für die Vermessung auf dem Feld wurde der elektronische Theodolit Kern E1 mit dem aufgesetzten Distanzmesser DM502 und der Taschenrechner HP-41CV mit dem Kern DIF41 verwendet. Im Büro wurden die Daten mit Mini- und Grosscomputer, Digitalisiertisch und Trommelplotter bearbeitet.

Vermessungscrew
Abbildung 1: Nicht nur die Instrumente müssen wetterfest sein – auch die Vermessungscrew.

Grundsätzlich beschäftigte man sich auf dem Feld mit zwei Vermessungsaufgaben: dem Abstecken und dem Aufnehmen von Punkten. In beiden Fällen fand mit Hilfe des HP-41CV ein Datenaustausch zwischen dem Bürocomputer und dem elektronischen Theodolit E1 statt.

Ein vollständiger Messzyklus bewirkt die automatische Datenübertragung der Schrägdistanz, des Zenitwinkels und des Horizontalwinkels vom E1 via DIF41 in die HP-41CV-Hauptregister. Ein Datenverwaltungsprogramm bringt die Daten in die erweiterten Speichermodule. Das Programm hat im Bergbau gemeinhin gebräuchliche Ausdrücke wie «Nagel», «Krone», «Bohrloch» und «Achspunkt» einzelnen Tasten des HP-41 CV zugeordnet. Diese können nach Bedarf abgerufen werden.

Bevor Messungen vom HP-41CV übernommen werden, erscheinen in der Anzeige verschiedene administrative Fragen wie «Datum?», «Auftrag?», «Operateur?» und «Stationsnummer?». Neben Detailpunkten können auch neue Stationen mit Höhe aufgenommen werden. Die Instrumenten- und Zielpunkthöhe sowie die Zielungen in erster und zweiter Fernrohrlage werden dafür zusätzlich eingegeben.

Der durch die X-MEMORY ergänzte HP-41CV hat neben den belegten Programmspeichern noch zusätzlich Platz für die Speicherung von ungefähr 200 Punkten. Sobald der HP-Datenspeicher gefüllt ist, können die Daten auf eine HP-Digitalkassette übertragen werden. Nach der Feldarbeit werden die Daten dem Bürocomputer zur Weiterberechnung und zur Erstellung von Zeichnungen übergeben. Durch eine Vermessungsequipe können täglich mehrere hundert Punkte lokalisiert werden. Das rechnerische Bearbeiten und Zeichnen dieser Punktmengen beansprucht weniger als eine Stunde. Zudem werden Fehler, wie falsche Ablesungen, Abschreibefehler oder Verlust von Daten, durch das Ablochen (herausgestanztes Papier) von Feldblättern weitgehend eliminiert.

Absteckung

Strassenachsen, Sprenglöcher und andere Fixpunkte in der Kohlenmine können bequem abgesteckt werden. Die Koordinaten der abzusteckenden Punkte werden genau genug und schnell vom Digitalisiertisch übernommen und mit dem Computer in den für Ab steckungsarbeiten programmierten HP-41CV übertragen. In den HP-Erweiterungsmodulen werden Neupunktkoordinaten für mehrere Kilometer Strasse und alle nötigen Vermessungsstationen gespeichert. Auf dem Feld zeigt der HP-Rechner dem Vermesser die Absteckungselemente zu den Neupunkten an. Die Randpunkte der Aufschüttungen oder Einschnitte, die nötig sind, um die geplanten Höhenknoten einzuhalten, werden aus den vom E1 erhaltenen Messungen automatisch berechnet.

Neue Stationen können eingemessen und mit dem HP-41CV-Programm ihre Koordinaten errechnet werden. Gemessen wird in zwei Fernrohrlagen auf einen bekannten Anschlusspunkt und danach auf die neue Station. Der HP-41 zeigt die Differenz der aus erster und zweiter Fernrohrlage berechneten Koordinaten und Höhen der neuen Station an. Die bekannten Korrekturen wie Erdkrümmung, Refraktion, Temperatur, atmosphärischer Druck und lokale Massstabsfaktoren werden berücksichtigt. Die Resultate sind für den Vermesser ein Genauigkeitsmass für seine Messung.

Das Ausschöpfen solcher Möglichkeiten macht Kern-Instrumente zu äusserst flexiblen und hochwertigen Werkzeugen für den Vermesser. Im Vergleich mit dem Einsatz von traditionellen Vermessungs-Instrumenten und -Techniken kann die Bürozeit für eine solche Arbeit ungefähr um 70% reduziert werden. Zudem kann heute auch im Feld, im gleichen Zeitraum, bedeutend mehr erledigt werden als früher. In zwei Stunden ist ein Bohrlochfeld von 200 Löchern normalerweise vermessen, die Daten berechnet und der Plan gezeichnet.

Temperaturen bis minus 45°C!

Das Vermessungssystem von Quintette ist ständig im Ausbau begriffen und auch mit gewissen Problemen behaftet. Ein Problem betrifft das Klima in der Mine. Wintertemperaturen von -20°C bis -45°C sind normal. Um den HP-41CV vor diesem Kälteschock zu bewahren, war es nötig, heizbare Taschen zu entwickeln. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Kern-Ausrüstung E1/DM502 ohne externe Zusatzheizung bis -45°C funktioniert! Das Batteriekabel wird natürlich steif und dadurch auch brüchig, weshalb die Isolation durch häufigen Einsatz bei so tiefen Temperaturen durchgescheuert werden kann. Die Kapazität der Batterie ist empfindlich herabgesetzt. Normalerweise braucht eine Equipe bei diesen Verhältnissen pro Tag die Kapazität von zwei 7 Ah-Batterien. Ab und zu behindern auch tiefe Wolken oder Schneefälle den Vermessungseinsatz. In diesem speziellen Fall wäre am Distanzmesser eine Diode mit grösserer Durchdringungskraft von Vorteil.

Schema des Datenflusses
Abbildung 2: Abbildung 2: Schema des Datenflusses für die „Aufnahme“ (1) und die „Absteckung“ (2).

Die ganze Software zu diesem Vermessungsproblem entstand in ungefähr neun Monaten. Wir haben heute ein praktisches und wirtschaftliches Programmpaket für die in Kohlenminen anfallenden Vermessungsprobleme. Der HP-41CV hat sich als «intelligenter Datenspeicher» ausgezeichnet und der kombinierte Einsatz mit Kern-Geräten stellte sich als sehr wertvoll heraus. Somit kann
abschliessend auch festgestellt werden, dass sich der Einsatz des Kern SICORD Systems gelohnt hat.

Die Möglichkeit, Tachymeter durch Schnittstellen mit leistungsfähigen Taschenrechnern zu verbinden, hat die Türe zum neuzeitlichen, dem Computer angepassten Vermessen geöffnet.

(Quelle: BulletinKern Nr. 38, erschienen Januar 1986)

Schlusswort

In Zeiten des Klimawandels sind Kohleminen eigentlich total „out“. Wenn ich richtig recherchiert habe, ist die Quintette Kohlemine seit 2000 nicht mehr in Betrieb. Hoffen wir, das das so bleibt. Aber in diesem Beitrag ist das Hauptthema ja nicht der Klimawandel, sondern der HP-41 im Vermessungseinsatz unter extremen Bedingungen.

Der Artikel ist auch als PDF verfügbar.

Nachtrag: Ich habe noch eine Broschüre über das DIF41 Data Interface (in englischer Sprache) eingescannt, die hier verfügbar ist.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.